Der Unterschied zwischen Kampf und Selbstverteidigung
Selbstverteidigung ist doch Kämpfen, oder?
Nicht ganz, die Unterscheidung kann relevant bei der Frage sein, wofür exakt wir etwas trainieren wollen. Denn wenn wir genau wissen, was das Ziel ist, was wir erreichen und lernen möchte, dann können wir den effektivsten und zielgerichtesten Weg aussuchen, um dieses Ziel zu erreichen.
Daher definieren wir die Begriffe sportlicher Kampf, totaler Kampf und Selbstverteidigung:
SPORTLICHER KAMPF dürfte ja klar sein, explizite, ausgesprochene, evtl. niedergeschriebene Regeln, die Kampfbeginn, Kampfverlauf, erlaubte Kampfmittel und Kampfende definieren. Zwei Parteien einigen sich explizit und offen darauf, in diesem Rahmen miteinander zu Kämpfen.
TOTALER KAMPF (meinetwegen auch der etwas unglückliche Begriff: Straßenkampf): Klar, es fallen die expliziten (also für alle klaren und festgelegten) Regeln weg. Je nachdem, wer da wo kämpft kann es dennoch implizite Regeln geben (Beispiel? z.B. die früher allgemein akzeptierte Ehrenweisheit: man tritt nicht auf einen Gegner ein, der schon fertig und am Boden ist. – das ist bereits eine implizite Regel). Stellen wir uns zwei Personen im Streit vor, ein Wort gibt das andere, das Aggressionslevel steigt, es wird ein Rumgeschubse daraus, plötzlich fliegt eine Faust.
Der Andere schlägt zurück und ein Kampf bricht aus. Beide versuchen sich gegenseitig zu schlagen, irgendwann werden sich beide ineinander verkeilen und rangeln. Gibt keiner auf, wird sehr hart getroffen, ist klar unterlegen, kommt keine Waffe ins Spiel oder bekommt Hilfe von weiteren, landen beide am Boden, derjenige mit weniger Ringtechnik/Talent in der ungünstigeren Position.
Bei einem Kampf sind / erzeugen beide Seiten das Problem…
Im Kampf wurden hier implizite Regeln angewandt. Bsp.: Du schubst mich, ich schubse zurück. Man hat sich implizit auf eine Rumschubsen Phase geeinigt!
Es fehlt unter anderem entweder der Wille, das Wissen oder die Kompetenz, aus diesem sogenannten Monkey-Dance auszubrechen.
SELBSTVERTEIDIGUNG: Bei der Selbstverteidigung entsteht durch eine Seite ein Problem, das wir nicht gebrauchen können, nicht wollen und an dem wir nicht teilhaben möchten. Ein Problem, das wir grundsätzlich eher meiden wollen würde, als daran Teilzuhaben. (Natürlich können wir uns das nicht immer aussuchen).
Das oberste Ziel in der SV ist nicht, zu gewinnen (und nicht nach den impliziten Regeln mitzuspielen, nicht: besser zu fluchen, besser zu beleidigen, besser zu schubsen, besser zu schlagen, besser zu rangeln usw…).
Genau so wenig, wie das oberste Ziel ist, Recht zu behalten, einen Platz zu erobern usw.
Das oberste Ziel ist, körperlich und seelisch heil zu bleiben. Andere Ziele müssen dem untergeordnet werden (z.B. ein cooler Macho zu sein, Recht zu behalten, ein Spiel [siehe oben] zu gewinnen.)
Die Szenerie erkennen und verlassen kann damit eine der einfachsten und effektivsten Mittel sein, um sich selber zu schützen. (auch: passende Orte ganz zu meiden.) Wenn das nicht geht, kann es für den Selbstschutz probat sein, sich eine Fluchtmöglichkeit zu erarbeiten. Vielleicht einfach nur, zu deeskalieren, sich zu entschuldigen usw.
Natürlich kann das auch heißen, einen Gegner kampf- und handlungsunfähig zu machen. Aber dann möglichst auch nicht nach impliziten, also versteckten Regeln. Entscheiden wir uns für das Ziel: kampfunfähig machen, geschieht dieses am besten mit einem passenden Mindset und Werkzeugkasten an Techniken; überraschend und konsequent und eben nicht in einem Kampf.
Also: stehen sich zwei gegenüber, in Kampfstellung und belauern sich, suchend nach der Öffnung für den Schlag, dann ist es ein Kampf. (Oder ein Hollywoodfilm) In der Selbstverteidigung kommt lauern nicht vor.